Dienstag, 5. Juli 2022

Tag 10: Womit man heutzutage rechnen muß

Rif. Malga Consèria - Caoria
(24,4 km - 630 Hm auf - 1.610 Hm ab) 

Mit mir auf der Alm haben noch drei Italiener und eine Familie mit drei Töchtern übernachtet. Ich hatte aber ein 4-Bett-Zimmer für mich. Sehr komfortabel.

Nach dem ausgiebigen Frühstück - inkl. Lotto-Gewinn (ca. 97% aller abgepackten Marmeladen im richtigen Italien sind Aprikose, ca. 2,8% Erdbeer und nur der verbleibende Rest ist mindestens richtig rot) - u.a. mit tollem Fruchtmüsli und EINER Kirsch-Marmelade, verteilen sich die drei Wander-Grüppchen über drei Wander-Wege.

Für mich geht es nach Tagen mal wieder (kurz und knapp) über die 2.000er-Marke.

Wenn auch nur kurz am Paß der Fünf Kreuze: 

Der Hintergrund des Namens ist unterhalb zu finden: Ein ganz kleiner Kriegsgräber-Friedhof.

Nachdem ein Pfad zum Paß führte, geht es von dort einen Schotterwegs entlang zur Alm Malga Val Cion.

Um die Kuhherde mit Jungtieren mache ich einen großen Bogen - wobei rechtsrum besser als linksrum gewesen wäre, aber hinterher ist man immer schlauer als vorher - damit muß man rechnen.

Etwas unterhalb sind größere Mengen an Pferden unterwegs, deren Jungtiere (und die zugehörigen Erziehungsberechtigten) dermaßen entspannt sind, daß dieses Fohlen immerhin mal den Kopf hebt als ich wenige Meter daneben den Pfad entlang gehe.

Trotz der meist demolierten Wewgeiser (ich tippe - ob des Stacheldrahts - eher auf Schnee als auf Kühe, die sich sonst gerne an Pfählen reiben) und der Ankündigung im Wanderführer, daß die Wegfindung schwierig sei, kann ich das nicht bestätigen.

Ja, der Weg ist augenscheinlich wenig begangen und somit nicht so deutlich sichtbar (damit kann man dann rechnen), allerdings ist jeweils von einer Markierung die nächste bereits zu erspähen und somit ein "entlang hangeln" problemlos möglich.

An einer Stelle komme ich mal kurz 15 Meter vom Weg ab, für Anna und Julia habe ich aber ein-eindeutige Zeichen hinterlassen:

Die frühere Alm Malga Capola di sopra ist verlassen, wurde aber (zur Hälfte) in ein Biwak umgebaut.

Auf 2,5 Etagen (inkl. Betten !) mit Tisch, Ofen und allerlei Kram dürfte beispielsweise Frank_Z seine helle Freude haben. 

Einzig einen Klempner bräuchte es wohl mal wieder: Der Frischwasserleitung am Brunnen vor der Hütte war irgendwie kein Wasser zu entlocken.

Ein Bach ist aber auch nicht weit, wobei ich mit der "Brücke" so meine Probleme habe:

Nun ja, in der Wildnis muß man mit sowas wohl rechnen.

Bei Nässe wäre ich wohl sicherheitshalber anderweitig über den Bach.

Na, die Goldgelbe Koralle kenne ich ja von meiner E1-Wanderung durch Deutschland schon sehr gut und nun habe ich sie auch mal in den Alpen gesehen, wo sie Martin von jeher verortete: 

Durch extrem einsames Gelände geht es über zwei Hügel und schließlich auf diese Scharte zu:

Allerdings gilt es dafür das gesamte Talrund auszugehen und letztlich wird der Übergang gar nicht benutzt, sondern kurz unterhalb der Abstieg begonnen.

Von dort nochmal ein Blick zurück:

Ich bin schon fast fünf Stunden unterwegs und habe gerade mal die Hälfte der heutigen Strecke zurück gelegt.

Irgendwas paßt da nicht.

Ja, das Gelände war zuletzt mit dem Blockwerk, den Wegspuren in den Steilhängen und den mit Wasser- und Haxenbrecher-Löchern durchsetzten Wiesen nicht so einfach und flott zu gehen, aber an sich war ich wieder gut unterwegs.

Bei einer Pause schaue ich mir den Rother-Wanderführer mal genauer an: Aha, (leider) muß man mit derartigen Fehlern immer wieder rechnen (wie mir auch schon anderweitig aufgefallen ist, wird im Verlagswesen ja seit Jahren an adäquater Qualitätskontrolle gespart): Nimmt man die übliche Alpenvereinsformel (die bei den anderen Tagesetappen wohl auch Anwendung fand), so errechnen sich auf Basis der angegebenen Fakten (Aufstieg/Abstieg/Entfernung) mal schnell ACHT statt der abgedruckten sechs Stunden Gehzeit.

Kurz nach dem wieder Loslaufen stoße ich quasi in ein Wespennest. Damit mußt Du als Wanderer heutzutage rechnen: Wie bei einem Multi-Explosions-Silvester-Feuerwerk schießen erst acht flauschige Bällchen in alle Richtungen und dann der Oberböller in Form der ausgewachsenen Schneehuhn-Mama als Schlußpunkt davon.

Die Familie war wohl verdeckt neben dem Weg gesessen und (unbeabsichtigt) von mir aufgeschreckt worden.

Und wenn da so ein ausgewachsener, bärtiger Bergpirat vorbeikommt (damit muß man als Schneehuhn heutzutage rechnen), wer will da nicht Reisaus nehmen ?

Immerhin können auch die Küken hier schon halbwegs fliegen, anders als kurz vor Obertauern auf dem 02er-Zentralalpenweg 2017: Tag 31

Gut, daß ich entspannte Reserven habe, was den zeitlichen Teil angeht, und so steige ich erst steil durch den Wald bergab, dann ein Stück eine Almstraße entlang.

Schließlich zweigt mein Weg wieder auf einen einsamen und sehr steilen (irgendwie wollen die 1.100 Hm ja abgebaut werden) alten Forstweg mit frischen Reifenspuren ab.

Irgendwann stehe ich dann mitten im Wald etwas ratlos vor dieser Absperrung:

Man muß heutzutage damit rechnen, daß man Trassierband und Stahlseil geradewegs durchschreiten muß, um dahinter den versteckten Pfad des weiteren Weges entdecken zu können:

Eine Weile geht es im Tal noch auf der Straßen-abgewandten Seite des Flußes entlang, aber die letzten 3,4 Kilometer bis nach Caoria gibt es dann keine Alternative mehr zur Straße, aber immerhin hat man nun einen netten Blick gen Talende, wo ich herkomme: 


Gipfel/Übergänge:

- Passo Cinque Croci (2.018m)


Begegnungen:

- 8 Esel beim Start hinter der Hütte (gestern waren es noch 3, die die Kinder streichelten)

- 2 einheimische Wanderer im Nirgendwo

- 1 Schneehuhn und 8 flauschige, aber bereits bedingt flugfähige, zugehörige Küken

- 2 Eidechsen


2 Kommentare:

  1. Gabs denn beim Biwak auch Feuerholz? Ganz modern sieht das ja nicht aus.
    Wanderführer = Sentiero della Pace?

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    1. Ja, Feuerholz drinnen, vor der Hütte und Wald anbei.
      Ja, SdP-Führer vom Rother.

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