Eigentlich sollte es Frühstück am heutigen Sonntag erst ab 08:30 Uhr geben, aber um diese Uhrzeit will ich natürlich an diesem langen Tag und bei der wahrscheinlichen Hitze längst unterwegs sein. Die Vorab-Verhandlungen per Mail ergeben dann 07:30 Uhr und das Frühstück ist alles andere als typisch italienisch: Alleine meine Zusammenstellung aus Schokomüsli, den frischen Früchten und Joghurt ist ein Traum. Verschiedene Kuchen und italienischer Schinken runden mit English Breakfast den perfekten Start in den Tag ein.
Durch dörfliche Gebiete geht es bei blauem Himmel und bereits sehr warmen Temperaturen (das kann ja "heiter" werden) auf den E5.
Nein, der E5 ist NICHT nur Oberstdorf-Meran (auch wenn dieses kleine Teilstück - ob seiner Bekanntheit - im deutschsprachigen Raum teilweise synonym verwendet wird), sondern führt auf ca. 3.000 km von der Atlantikküste Frankreichs über Konstanz (na, da war doch kürzlich etwas mit E1) nach Verona bzw. Venedig (dort war ich bei meiner ersten Fernwanderung 2008 auf dem Traumpfad von München aus angekommen).
In meinem jugendlichen Leichtsinn nehme ich mir gleich die "Experten"-Variante vor:
Ein kurzes Stück führt noch ein kleines Sträßchen ins Tal hinein.
Aber bereits 45 Minuten nach dem Start an der Unterkunft geht es endgültig in die Wildnis:
Und auch wenn ich den Schwarzwäldern und den begeisterten Scharen an Schluchtensteigwanderern nicht zu nahe treten will (in der Wutachschlucht war ich just vor vier Wochen: Teil1, Teil2), was ich in den nächsten zwei Stunden erleben werde ist ("natürlich") beeindruckend und ein kleines Abenteuer.
Innerhalb kürzester Zeit ragen links und rechts die Felswände bestimmt 50-100 Meter auf.
Absolut einsam führt ein schmaler Pfad direkt auf Grundniveau durch den teils nur Fluß-breiten Canyon (da geht man dann im Flußbett - logischerweise).
Ab und an wird es weglos und teilweise geht es direkt durch das (im unteren Teil komplett ausgetrocknete) Flußbett.
Manchmal bin ich mir gar nicht sicher, noch auf dem richtigen Weg zu sein, aber mangels Abzweigungen/Alternativen und insbesondere den immer wieder auftauchenden Markierungen bleibe ich zuversichtlich.
Wahnsinnig beeindruckend und schon am ersten vollen Wandertag ein Highlight wie ich es derartig bisher noch nicht gesehen habe, weil es eben kein vom Menschen durch eine Klamm gebauter Weg ist, wie man das sonst von spektakulären Schluchten evtl. kennt.
So schön wie das ist (von den angenehmen Temperaturen mal ganz abgesehen): Bei/nach Unwetter/Starkregen möchte ich hier NICHT sein. Wenn Wassermassen durch den Canyon kommen und die Steilwandkurven entlang schießen, dürfte das kein Spaß, sondern lebensbedrohlich sein (da sollte man dann auch als "Experte" die Nicht-Esxerten-Varainten westlich über die Höhen nehmen).
Letztlich lande ich in einer Art Kathetrale, wo von mehreren Seiten wohl Wasserfälle (im Regenfall) aus höher gelegenen Canyons zusammenkommen.
Hier haben die Italiener ein technisches Hilfsmittel in Form einer freistehenden Treppe angebracht, um aus dem unteren Teil heraus zu kommen:
Puh, ganz schön luftig.
Mann, bin ich froh, Verona-Salzburg von Hans nicht - wie ursprünglich mal von mir angedacht (böse Zungen sprachen kürzlich ja gar von "Plan" - ich und Plan) - von Salzburg nach Verona gegangen zu sein: Im Abstieg wäre ich wohl weit mehr als die 1.000 Tode des Aufstiegs gestorben...
Nachdem ich in der nächsten kleineren Schlucht oberhalb nach einer Weile irgendwie eine Abzweigung nach Osten verpaßt zu haben scheine und geradeaus auch keine Markierungen mehr kommen, gehe ich ein Stück zurück und lasse ich mich über einen Steig gen Westen sowei einen kleinen Bogen zurück auf große markierte Wege führen:
Im Anschluß komme ich mir vor wie die Kühe beim Almauftrieb die Tage in Ellmau: Links Gitter, rechts Gitter, ein schmaler Weg - Fehlen nur noch die G7-Polizisten links und rechts ;-)
Der erste größere Steinbruch am Weg, wovon dann (zumindest aus der Ferne) noch einige zu sehen sein werden und auch der verschwenderische Umgang mit Steinplatten z.B. als Wanderweg-Leitplanken oder Kuhweide-Begrenzung (alles eine Frage des Standpunkts bzw. Blickwinkels) deutet auf nahe und günstige Quelle(n).
Nachdem es im ursprünglich mal angedachten Etappenende zwar ein Restaurant aber keine Unterkünfte gibt, hatte ich bereits zu Hause die Etappe etwas verlängert.
Problem dabei nicht die ca. sieben Kilometer, sondern der Weg nach Osten.
Hintergrund: Hier laufen einige parallele Felsrücken nord-südlich, einen davon war ich in hügeligem auf und ab bis zum Nachmittag gen Norden gegangen und nun geht es quer zum Strich. Folglich runter-hoch-runter-hoch.
Und die Sonne brennt. Der Großteil des Weges verlief zwar im Schatten, aber dennoch scheinen meine drei mitgeführten Liter Wasser schlicht nicht zu reichen.
Ein paar ältere und super-hilfsbereite Herrschaften im Schatten eines Häuschens helfen mir spontan aus: Sprachlich verstehen tun wir uns zwar nicht, aber mein (fertiges) Aussehen deutet wohl bereits auf "Flasche leer" und eine über den Zaun gereichte fast leere Flasche wird dann umgehend aufgefüllt. Grazie mille !
Die letzten zwei Kilometer über Wiesen werde ich nun wohl auch noch irgendwie schaffen. Letztlich halfen starke Temporeduzierung, viele Mikropausen und vier halbe Traubenzucker über die finalen zwei Stunden hinweg.
Am Ziel brauche ich dann noch VOR der Dusche erstmal etwas zu trinken.
Gut, daß ich auch direkt in der Unterkunft (nach der Dusche) etwas zu Essen bekomme und ich kann mich wahrlich kaum erinnern, wann ich zuletzt SECHS Liter zwischen Frühstück und zu Bett gehen getrunken habe.
Und mit 9,50 EUR waren die drei Liter Saftschorlen zwischen 18:15 und 21:15 Uhr auch noch sehr günstig !
Auch wenn ich jetzt bereits über 1.000 Meter residiere: Ich glaube, ich brauche höhere Berge für angenehmere Temperaturen.
Begegnungen:
- 1 Eidechse
- 1 Libelle
- 2 Mountainbiker
- 1 Pfau
- 1 Eidechse
- hilfbereite Einheimische zwecks Wasser-Nachschub
- Familie mit zwei Jungs und einem Baby ("endlich ein Mädchen und nun ist es genug") mit denen ich vor der Dusche auf Englisch parliere (für den 9-jährigen eine gute Übung, denn im neuen Schuljahr bekommt er einen Englisch-Native-Speaker in die Klasse)
tolle Schlucht u tolle Photos. Da bin ich mal auf den weniger spektakulären Schluchtensteig (Schwarzwald) gespannt.
AntwortenLöschenNaja, er ist halt einfach anders: Alleine die Wutachschlucht ist ca. 1 Tagesmarsch. Aber eben selten auf Grund-Niveau
LöschenSieht spektakulär aus! Die Bilder haben mir bei den Vorbereitungen für meine „letzten Meter“ morgen geholfen :-)
AntwortenLöschen6 l sind respektabel, aber scheinbar muss man am Anfang immer etwas leiden ;-)
Na, das mit dem Leiden kennen WIR ja bereits.
LöschenIch sag nur: München - Wolfratshausen oder Gamshütte - Friesenberghaus ;-b
Kommt mir doch richtig bekannt vor. ;-) Und wenn man Gamshütte - Friesenberghaus noch mit einer Alm (Nahrungsaufnahme) rechnet, dann aber falsch gerechnet hat, dann wird es anstrengend.
LöschenCool, etwas spät, aber nun bin ich auch dabei. Und habe gleich was zu lesen. Wünsche einen frohen Endspurt.
Gamshütte-Friesenberghaus steht am 02.09.2022 wieder an (1. Teil Tiroler Höhenweg: diesmal hoffentlich WIRKLICH - im dritten Versuch) :-)
LöschenHallo Kay,
AntwortenLöschenhabe malwieder Deine Spur aufgenommen. Tolle Tour hast Du da vor Dir, da werde ich richtig neidisch (und neugierig). Zu der Leiter aus der Schlucht: Ähnliches gab / gibt es auch in der Sächsischen Schweiz: 8m hohe freistehende Leiter https://img.oastatic.com/img/1000/500/34161537/.jpg.
Und 30km zum Auftakt - Hut ab! Aber Du bist ja gut trainiert.
Ich freue mich auf weitere Berichte!
Hallo Dörthe.
LöschenOha, das scheint mir ja sogar Leiter in der Sächsischen zu sein.
Wo ist das ?
Malerweg oder https://coord.info/GC1NPC9 will ich eigentlich auch mal gehen.
Das mit dem Training gilt dieses Jahr aber nur wegen E1 bzw. dem Event-Höhenlagen-Wochenende am M-V-Weg vorab.
Schöne Grüße, K2.
Leiter beim Einstieg in den West-Coast-Trail auf Vancouver Island: https://offtracktravel.ca/wp-content/uploads/2021/12/first-ladder-west-coast-trail-gordon-river-810x1080.jpg.webp
LöschenDiese Leiter wäre für mich nicht so problematisch, da nicht so freischwebend.
LöschenLängere Version (Problem: verbal lautstark zu vermeidender Gegenverkehr !) findet man im Allgäu an der Nagelfluhkette mit SEHR viel Verkehr in beide Richtungen...