Freitag, 29. Juli 2022

Epilog 01: Kanalisiert über Steilstufen auf den Berg

Salzburg - Zeppezauerhaus
(14,6 km - 1.210 Hm auf - 0 Hm ab)

Starten wir also mit dem Dessert: Kam ich gestern von Osten in die Stadt, verlasse ich Salzburg heute gen Süden.

Der Blick geht erst nochmal zurück zur Burg:

Anschließend liegt die Perspektive auf dem Almkanal, der mit ordentlicher Geschwindigkeit Wasser vom Königssee von Süden in die Stadt bringt:

Viele Kilometer geht es auf Rad-/Fußwegen am Kanal entlang, der heute nicht nur zum Forellen-Fischen und zur Stromerzeugung, sondern auch für allerlei Freizeit-Aktivitäten genutzt wird.

Die Badeleitern alle paar Meter sind also nicht nur zur Verzierung da:

An der (künstlichen) Alm-Welle stehen die Surfer schon beidseitig Schlange:

Manch eine(r) kann sich etliche Minuten im hin und her auf der engen Welle halten, andere machen gleich wieder den Abflug und kraulen eilig dem ungesicherten Board hinterher...

Mir ist nicht so nach Baden und ich bin mir auch nicht ganz sicher, ob das Wetter heute hält.

Bei dieser vergänglichen (spätestens wenn hier mal eine Schafherede vorbeikommt) und widersprüchlichen Richtungsvorgabe bin ich mir auch nicht sicher, als verlasse ich mich mal lieber (weiterhin) auf mein GPS-Gerät...

So ist der Untersberg denn auch bald bildfüllend in Sicht, auf den es heute noch hoch gehen soll:

Der Dopplersteig gilt ob seiner vielen Stufen als anstrengend und im oberen Teil als ausgesetzt und nur für Erfahrene geeignet.

Na, schauen wir mal...

Die nicht bildlich festgehaltenen Stufen im Anfangsbereich sind jedenfalls nichts für untergroße Menschen, im weiteren Verlauf normalisiert sich die Stufenhöhe allerdings und Waldweg, Stein-/Betonstufen und die charakteristischen Holz-Leiter-Stufen/-Treppen wechseln sich ab.

Zumeist sind gerade die (nicht enden wollenden) flachen Holzleitern gut im Berg verankert und die Stufen mit Steinen verfüllt, so daß sich das gut, aber natürlich reichlich Schweiß treibend gehen läßt:

Im oberen Bereich wird der Steig zusehens steiler...


... schmaler...

... und ausgesetzter.

Durch das Stahlseil (da könnte man sich auch mit geschlossenen/verbundenen Augen entlang tasten) und die ausgeprägten Stufen läßt sich das bergauf (und bei Trockenheit) aber gut gehen.

Etwas irritiert bin ich allerdings, als mir kurz vor dem Ausstieg - in wieder deutlich harmloserem Gelände - ein Ehepaar entgegenkommt, sich am Stahlseil festklammert, so daß ich auf allen Vieren außen an ihnen vorbeikrabble, und die Frau mich fragt, ob es NOCH schlimmer komme.

Nun, darauf gibt es zur Antwort erstmal umgehend und direkt ein gepreßtes, aber SEHR deutliches: JA !

Naivlinge. An dieser Stelle hat der Steig noch kaum richtig angefangen. Und das im Abstieg.

Von Gemeinheiten wie "wenn ich Sie wäre, würde ich springen" und ähnlichem sehe ich mal lieber ab - habe heute wohl einen meiner seltenen Menschen-freundlichen Tage erwischt.

Stattdessen merke ich (objektiv korrekt) an, daß der Steig durchgehend mit Stahlseil gesichert sei und Schritt-für-Schritt gut machbar.

Kurz nach dem Kreuz am Salzburger Ende des Untersbergs trifft der Doppler-Steig auch auf den Reit-Steig, den man wohl alternativ (leichter) gehen kann.

Zum Tagesziel Zeppezauerhaus (unterhalb der Bergstation der Seilbahn) ist es dann nicht mehr weit:

Für Menschen, die sich nicht entscheiden könne/wollen, hält dort der Wirt das perfekte Gericht bereit: Speck-Kaspress-Knödel-Suppe - und der Schoko-Kuchen zum nachmittäglichen Nachtisch war auch nicht schlecht. Dolce - sagte ich doch :-)

Abendlicher Blick nach Bayern (wo es morgen wieder hin geht):


Begegnungen:

- Gerhard (ITler im Hardwarebereich) mit nur noch sieben Arbeitstagen vor der Pensionierung, wo es dann mit dem Wohnmobil die französische Atlantikküste entlang gehen wird

- 1 Adler, der über dem Zeppezauerhaus kreist

- Ulrike aus Karlsruhe, die der Hitze im Rheintal auf die Hütte entflohen ist

- Ingrid und Gerhard aus Linz/OÖ mit denen ich ins Gespräch komme und mir den Tisch teile


Dolce !

Da steh ich nun, ich armer Thor und bin so schlau als wie zuvor ?

Nein, natürlich nicht.

Vom Residenzbrunnen geht es erstmal weiter ein wenig durch die Innenstadt von Salzburg.

Die Mozartbrücke führt über die Salzach:

Und prompt finden sich auf der anderen Flußseite (verbeulte) Hinweise auf (weitere) Fernwanderwege:

Jo, der Voralpenweg (04er) wäre auch mal was. Aber eigentlich ist mir gerade nach mehr. Viel mehr: Nach mehr Meer.

Und sind wir nicht alle manchmal ein wenig wie aufgeweckte Tiere ?

Wie ich nun so im lauschigen kleinen Kurpark mitten in der Stadt sitze, denke ich mir, ich könnte mal noch ein wenig Richtung Adria gehen...

Mal sehen, wie weit ich komme.

Mein eigentliches Ziel ist ja nun erreicht, aber Nachschlag und/oder Nachspeise geht bekanntlich immer ;-)

Und so geht es zurück über den Fluß, der Blick gen Schloßberg und dann gedanklich schon wieder weiter (zur Abwechslung - nach dem relativ hohen Asphaltanteil der letzten beiden Tage) in die Berge...


Tag 31: Salzburg erreicht: Finito ?

Bad Reichenhall - Salzburg
(20,6 km - 150 Hm auf - 190 Hm ab)

Schon in den Randbezirken von Bad Reichenhall wird klar, wo es heute hin geht:

Nach knapp 4,5 Wochen werde ich mein Ziel der L2-Route Salzburg erreichen.

Zuvor geht es aber erstmal aus der Stadt heraus, durch den Wald und an Wiesen entlang.

Nachdem ich zwar gerade auf dem Jakobsweg unterwegs bin - allerdings quasi in die falsche Richtung und ohne Pilgergedanken, nehme ich das Logbuch am Weg in lauschiger Umgebung zwar war, trage mich aber (natürlich) nicht ein:

Jetzt müßte es schon verhext zugehen, wenn ich Salzburg nicht erreichte...

Am Vorabend und mutmaßlich in der Nacht hat es etwas geregnet, aber ob der breiten Wege bekommt man nichtmal nasse Socken.

Nachdem im Wald die Grenze schon ein paar Mal tangiert wurde und ich einen Blick nach Österreich werfen konnte, geht es nun endgültig wieder ins Salzburger Land zurück, aus dem ich ja von Lofer am Vortag erst eingereist war.

Es ist bewölkt und ich bin froh, daß es mal nicht ganz so heiß ist, insbesondere weil heute noch lange Asphaltstrecken auf dem Tauernradweg, um den Flughafen herum und in die Stadt hinein folgen werden.

Immerhin sind die Rad-Fuß-Wege fernab der großen EInfallstraßen und teilweise ganz nett an kleinen Bächen entlang geführt:

An der bekannten Stiegl-Brauerei geht es auch vorbei. Auf dem Kunden-Parkplatz stehen Autos aus ganz Zentral-Europa, aber da ich mit Bier bekanntlich nichts anfangen kann, ist das Wohnprojekt gegenüber interessanter, wo die Brauerei gerade Immobilien für eigene Mitarbeiter und zum Vermieten baut. Als Arbeitgeber mußt Du heute eben in nahezu allen Branchen attraktiv für deine Mitarbeiter sein.

Kurz vor dem Tunnel gen Altstadt von Salzburg regnet es, aber auf der anderen Seite ist es schon wieder trocken. Das Übliche.

Dafür leitet man hier das (Kanal-)Wasser spektakulär in einen Abfluß:

Der Domplatz ist mit der Bühne und den Zuschauertribünen der Salzburger Festspiele (Jedermann) belegt, aber der altehrwürdige, über 450 Jahre alte Residenzbrunnen am Residenzplatz nebenan ist ja sowieso das passendere Ziel, war ich doch in Verona am Alpenbrunnen gestartet

So schließt sich für mich also der Kreis von Verona nach Nordosten ein Mal über die Alpen nach Salzburg.

30 Jahre brauchte es nun also von der Idee von Hans (Losse) bis zu ihrer Realisierung, aber wenn wir Deutschen zwar für Musikhäuser (Hamburg), Flugplätze (Berlin) und Bahnstationen (Stuttgart) noch nicht ganz so lange brauchen, spätestens die zweite Münchner S-Bahn-Stammstrecke wird wohl auch diesen Meilenstein reißen ;-)

Die eigentliche Begehung (m)einer L2-Route wird jedenfalls in weniger als 30 Tagen möglich sein (ich hatte ab Osttirol ja gebummelt).

(Unbereinigte) 670 Kilometer an Wegstrecke komplett zu Fuß, mehr als 32.500 Aufstiegsmeter und die Alpen liegen nun hinter mir.

So, was nun ?

Bezogen auf meinen 9-wöchigen Sommer-Urlaub ist es jetzt - wenn man das als Tagesetappe betrachten würde - quasi gerade mal 11:45 Uhr.

Kann es das nun gewesen sein ?

Wohl kaum, wie der eine oder die andere geneigte Leser(in) sich vielleicht schon gedacht oder gar befürchtet hat...


Begegnungen:

- 1 große Libelle

- 1 großer Greifvogel

- einheimische Bauersfamilie kurz hinter der Grenze

- zwei einheimische ältere Damen in den Salzburger Außenbezirken



Donnerstag, 28. Juli 2022

Tag 30: Sag zum Abschied leise Servus

Lofer - Bad Reichenhall
(29,4 km - 470 Hm auf - 640 Hm ab)

Heute ist der Tag der Abschiede: Beim mit der Coburg-Crew überlappenden Frühstück von letzteren (Sybille hatte mich am Vorabend sogar noch frisiert !), vom Vater als er mich in Lofer am gestrigen Aufsammelpunkt nun wieder ausgesetzt hat, um sich auf der Steinplatte wieder mit dem Rest zu treffen, außerdem - last but not least: Ich werde Österreich verlassen.

Aber eines nach dem anderen und mit heute wieder 12,5 kg Rucksack + Wasser auch nicht ganz so schnell, wobei der Verbrauchsmaterialnachschub natürlich trotzdem einige Kilos weniger wiegt als die eingesparte Notfallausrüstung und das eine Kilo weniger in Form des kleineren Rucksacks.

Teilweise über den Tauernradweg, streckenweise über kleine Sträßchen oder Forstwege führt mich heute am Vormittag mein Weg gen Nordnordost.

Immer wieder blicke ich nochmal zurück auf die imposanten Loferer Steinberge, die gestern ja "noch schnell" überschritten wurden - gutes (und stabiles) Wetter ist da schon von Vorteil:

Dafür gibt es heute (und auch auf der finalen Etappe morgen) nur noch wenige Höhenmeter, dafür ist einiges an "Strecke zu machen"...

In den kleinen Ortschaften am Weg gibt es immer mal wieder den einen anderen Blickfang zu entdecken:

Aber ordentlich heiß ist es hier im Flachland schon.

Letztlich überquere ich die Grenze nach Oberbayern (mal sehen, wie es mit der Sprache so wird;-):

Der Weg ist plötzlich traumhaft:

Ein paar Blümchen am Weg:

Und die Aschauer Klamm gibt es noch kostenlos obendrauf:

Die Gumpen laden zum Baden ein, teilweise gibt es Schatten unter den Bäumen und der Bach kühlt ein wenig:

Manche sind hier augenscheinlich wirklich (nur) zum Baden hoch gekommen:

Nun, könnte ich mir auch vorstellen, aber nicht heute, denn neben einem Ziel habe ich Mittlerweile auch noch eine Verabredung zum Abendessen.

Und ob meines späten Starts, könnte das durchaus knapp bis sportlich mit einem pünktlichen (und geduschten) Auftreten werden...

Ab dem Haiderhof führt dann ein breiter Fahrweg bergab und bald an der Saalach entlang, die ich am Morgen bei Lofer schon ein Stück begleitet hatte.

Erinnert irgendwie ein wenig an Tag 07, aber der Radfahrer hat in Deutschland nicht so viele Sollbruchstellen bzw. Ritterrüstung wie in Italien:

Skurril ist dann auch die Beschilderung am RADweg: Wenige Meter bevor das (für RadFAHRER) optimal geteerte Stück beginnt, sollen sie auf dem RADweg (allen Ernstes) absteigen:

Und typisch Deutsch: Ich fürchte, die meinen das Ernst.

In Italien würde man das Schild sowieso ignorieren, die Österreicher würden so etwas nie machen, aber die Deutschen...

Es kam aber auch nie wieder ein Schild, daß das Aufsteigen erlaubt hätte, wer weiß wie viele da immer noch zu Fuß gen Osten gehen...

Schneitzelreut sehe ich nur aus der Ferne auf der anderen Flußseite, denn ich wechsle erst kurz vor Unterjettenberg auf die nördliche Flußseite.

Dann geht es über den Radweg am Saalachstausee entlang.

Unverhofft kommt mir dann plötzlich dieser Herr entgegen, wobei wir uns in Anbetracht der Rucksäcke gleichzeitig die gleichen Fragen stellen, nach dem Motto woher/wohin ?

Harald ist seit sechs Jahren sieben Monate im Jahr (im Sommer) zu Fuß und überwiegend mit Zelt unterwegs.

Plan: Bis zum Lebensende.

O-Ton zu seiner früheren (beruflichen) Beschäftigung: "54 verschiedene Dinge".

Eigentlich war er in den USA am Continental Divide Trail (CDT) auf einem Thruhike unterwegs - dem härtesten der drei großen amerikanischen Fernwanderwege von der mexikanischen zur kanadischen Grenze. War er am Anfang noch mit ca. 450 anderen unterwegs, zog sich das dann weit auseinander bis er alleine war und großflächige Nationalparksperrungen wegen Unwettern ließen ihn dann abbrechen, da Springen nicht so sein Ding ist.

So ist er einfach in seine Heimat Wien zurück geflogen und hat sich Anfang Juli von dort auf den Weg gen Westen gemacht. Feste Routen oder Ziele hat er hier nicht, sondern er läßt sich täglich von Einheimischen, Wetter, Wegverhältnissen, Lust und Laune inspirieren. Er lebt aber nur für das Jetzt: Maximal ein Foto pro Tourtag (wenn überhaupt) überlebt, er schaut diese aber auch nie wieder an und blickt nie zurück.

Eine sehr spannende Unterhaltung, auch wenn das so in dieser Form nichts für mich wäre.

Und mein Zeitplan ist nun komplett dahin.

Denn eines ist klar:

Auf dem Weg nach Bad Reichenhall informiere ich Houston über eine Harald-Verzögerung (nicht, daß man mir noch den Kopf abreißt (da würde es oben reinregnen) oder - schlimmer - ich nichts zu Essen bekomme, weil die Tischreservierung verfällt).

Aber Ende gut, alles gut:

Gabi und der Wirt sind nachsichtig, ein geduschter Kerl ist besser für die ganze Umwelt und ein satter und nach fünf Halben (verdampfende J-Schorle und Spezi) auch kaum mehr durstiger Typ auch ganz umgänglich :-)


Begegnungen:

- Eltern, Gabi/Uli, Sybille/Thomas

- 1 große Libelle

- 1 große Libelle

- 1 große Libelle

- 4 große Libellen

- 2 große Libelle

- Harald, Weitwanderer aus Wien

- Gabi