Montag, 4. Juli 2022

Tag 08: Songs an einem Sommermittag

Compet - La Ruscoletta
(32,2 km - 1.440 Hm auf - 1.490 Hm ab)

Um kurz nach 7:00 Uhr laufe ich im Haus gegenüber gegen die verschlossene Tür zum Frühstücksraum.

Mmmh, einerseits sind durch das Sichtfenster der Tür bereits eifrige Frühstücksvorbereitungen zu erkennen, andererseits steht da ein Schild, daß es ab 8:00 Uhr Frühstück gebe.

Hatte ich den Chef am Vorabend so falsch verstanden ? - Gegen 7:20 Uhr lassen mich die beiden netten Damen an das traumhafte Frühstücksbuffet.

Die E5-Wanderer kommen um kurz nach 7:30 Uhr - verhört hatte ich mich also wohl nicht.

So richtig baff bin ich aber, als ich über die Straße zurück zur Unterkunft gehe: Biergarten und Bar sind um 7:55 Uhr VOLL mit Frühstücks-Italienern (Kaffee + süßes Teilchen).

Ah, stimmt, Sonntag ist heute auch noch.  

Beim Zahlen beschleicht mich dann ein komisches Gefühl, daß mir einfach keine Ruhe läßt.

Als ich später meinen Schlüssel abgebe, frage ich extra nochmal nach, ob ich WIRKLICH alles bezahlt habe oder nicht vielleicht die Getränke des Vorabends (partiell) untergingen. Nein, ich habe alles bezahlt.

Ok, also neben der Qualität und der Auswahl auch ein sehr gutes Preis-Leistungs-Verhältnis im Albergo Aurora.

So, nun aber los.

Ich habe heute einiges vor.

Nur was ?

Das fragt man sich oder mich auch ganz öffentlich...

Nach Vetriolo Terme hat ein Sturm ganze Arbeit geleistet und der Aufstieg verläuft in der prallen Sonne:

Ich muß an Anna, Julia und die beiden Vierbeiner denken, die hier gestern Nachmittag ja noch 300 Hm hoch mußten und der Schatten durch stehen gebliebenen Wald beginnt erst, als der Anstieg für mich und die Abzweigung zum Rif. Enterle für die vier am Vorabend erreicht ist.

Für mich geht es weiter zur Malga Masi: 

Dafür, daß es erst gegen 9:30 Uhr ist, ist auch hier schon ordentlich etwas los.

Auf dem Sattel La Bassa (1.834m) oberhalb fällt mir dann wieder ein, was die Tage jemand erwähnt hatte: Da findet heute (Mittag) ein Konzert statt.

Technik und Versorgungs-Stationen sind bereits aufgebaut und vereinzelt picknicken auch bereits Leute auf den Wiesen oder unter den wenigen schattigen Bäumen.

Mich erinnert das extrem stark an ein Format, was 30 Jahre lang im Gottesgarten am Obermain, auf einer Wiese oberhalb von Kloster Banz stattfand: Songs an einem Sommerabend.

Da ist man auch mit Picknick-Utensilien zu Fuß den Berg hochgetiegert, hat sich mit Freunden ein Plätzchen gesucht und den Songs von Liedermachern gelauscht.

Das war immer am ersten Freitag und Samstag im Juli.

Nach 2016 wurde das Format vom Organisator nicht mehr am gleichen Ort jährlich fortgeführt, hat dafür aber auch mal in Würzburg und - so klein ist die Welt - in Sterzing stattgefunden (das ist das erste Städtchen nach dem Brenner und der Abzweig zum Nabel der (Ost-)Alpen am Ende des Pfitschertals, wie Kenner wissen ;-)).

Nun, heute ist der erste Sonntag im Juli und um 12:00 Uhr gibt es ein Konzert, wie mir die beiden jungen italienischen Weitwanderer bestätigen, die ich dort an der Abzweigung treffe. Die beiden gehen in sechs Tagen die Lagorai-Überschreitung (aktuelle Gebirgskette in den Fleimstaler Alpen) zum Passo Rolle.

Dort geht es für mich auch hin, allerdings auf dem Sentiero della Pace gen Ost-Nord-Ost (der E5 verabschiedet sich dagegen nach Nord-Nord-West).

Für mich geht es auf einem Pfad erstmal gen Osten abwärts...

Allerdings gestaltet sich das nicht ganz trivial: Kennt man bei uns sog. "Sonntags-Fahrer" (wandelnde Verkehrshindernisse, unsicher, Gefährdung für sich und andere), so gibt es hier augenscheinlich Sonntags-Geher (ähnliche Problematik).

Was bei denen noch hinzu kommt: Teilweise nebeneinander bergauf gehend, ab und an noch begleitet oder Gruppen just durchsetzt von akkubetriebener Pedal-Kavallerie und das alles, ohne auf andere Verkehrsteilnehmer zu achten, die sich erdreisten, diesen Weg bergab gehen zu wollen (da war WIRKLICH weder Sperr- noch Einbahnstraßen-Schild !).

Haupt-Problem: Die Schiere Masse.

Nach 100 habe ich aufgehört zu zählen... 

Aber alles eine Frage der Zeit: Sie müssen ja bis 12:00 Uhr alle oben sein. Das "gehe" ich aus...

Ein großer Unterschied des Lagorai im Vergleich zu den Vizentiner Alpen südlich des Valsugana: Das sind keine Kalkhügel. Es gibt Wasser !

Fordo und Loui dürfte es ebenfalls freuen und ihre Frauchen müssen nicht so viel Wasser mtischleppen.

Um 11:45 Uhr erreiche ich das Rif. Serot.

Sieht richtig nett aus und wird augenscheinlich von einer Gruppe an jungen Leuten geführt.

Ich gönne mir einen Liter zu trinken, die 12 Füße aus Darmstadt habe ich nicht mehr getroffen (die lassen es heute gemütlich bis hier hin angehen und werden erst zwei Stunden nach mir angekommen sein) und dann sagt die Uhrzeit den Kennern bereits, was ansteht: Jetzt kommt die eigentliche Tagesetappe.

Ich steige weiter auf und gehe am idyllischen Lago di Carezze vorbei:

Am Weg immer mal Friedenswegweiser:

Ab der Malga Casapinello beginnt dann ein durchgehend befestigter Weg, der im weiteren Verlauf überwiegend auf Asphalt fast 1.000 Höhenmeter ein Tal bis nach Campestrini hinab führen wird.

Nichtsdestowenigertrotz am Wegesrand ab und an Sehenswertes:  

Beim Brunnen im Ort war ich nur zu langsam für den Spatz, der sich da auf dem Metall sitzend immer Wasser aus der Luft geschnappt hat:

Für einen der nächsten (sonst immer flott verschwundenen) Zeitgenossen war ich denn doch mal schnell genug mit der Fotofalle:

Bereits im Ort Stand ein Schild, daß der SAT-Weg 381 (SAT: Trentiner Alpenverein) gesperrt sein.

Nun wieder irgendetwas, was ich aber nicht verstehe:

Eine Alternative scheint es nicht zu geben, Hinweise auch nicht.

Gut, daß ich heute Sherlock Holmes und Dr. Watson dabei habe: Es finden sich bereits wenige Meter hinter dem Schild relativ frische Pferdeäpfel.

Dann erinnern wir uns doch mal an 2008 und daran, daß wir eigentlich GAR KEIN Italienisch können.

Im weiteren Verlauf des - eigentlich gesperrten - Weges finde ich weitere Apfelspuren, jede Menge Mountainbike-Stollen-Abdrücke im Matsch, sowie Huf- und Reifenabdrücke im Staub (also nach dem letzten Regen erst hinterlassen).

Beim Kreuzen einer Forststraße werden die Mountainbiker sogar explizit über den (von unten) gesperrten Weg geschickt - die wollen die Forstarbeiter wahrscheinlich nicht auf ihrer Straße haben und aufwärts findet sich allerdings wieder ein Schild mit allerlei Piktogrammen und ganz viel italienischem Text.

Aus Haftungsgründen habe ich das natürlich NICHT fotographiert, aber aus ähnlichem Kontext ein paar exemplarische Beispiele:

Ich höre ja (ärztlich attestiert) sowieso nur noch 70%, ordentliche Schuhe ahbe ich an, Handschuhe für Kälte im Rucksack, Kopfbedeckung gegen Sonneneinstrahlung auf und auch die Jacke (hier nicht abgebildet) gegen Regen habe ich an Bord.

Verboten ist wohl irgendwas mit der Hand. Ich nehme an, wilde Tiere füttern verboten. - Als würde ICH etwas von meinem ESSEN hergeben:

Meine Mutter saß vor ein paar Jahren mal links von mir im Restaurant und wollte Pommes von meinem Teller stibitzen. Die Gabel hatte wohl 4 Zähne, die SEHR deutliche Abdrücke in ihrem Handrücken hinterließen. Rechts von mir wäre es wohl (Messer-bedingt) blutig ausgegangen...  

Außerdem ist der Weg komplett frisch markiert.

Was ich nicht finde: Bäume oder Spuren von aktuellen Forstarbeiten.

Der Hügel ist ziemlich abgeholzt - mutmaßlich nach Sturmschäden von 2021.

Und somit kann ich am Ende des Weges und etwas später am Etappenziel dann schließen mit:

q.e.d.


Begegnungen:

- 2 junge italienische Mehrtageswanderer auf dem Lagorai-Trail sechs Tage gen Passo Rolle unterwegs

- 2 Libellen am Lago delle Carezze

- 2 graue und 1 Schimmel-Esel

- 3 Eidechsen

- 2 Eidechsen


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen