Wir schreiben Donnerstag, den 04. August 2022 und es ist wahrlich ein schöner Tag zu sterben:
Einige Etagen tiefer (passend zum hiesigen ehemaligen Bergbau-Gebiet) haben wohl einige teuflische Gestalten in warmer und nach Schwefel riechender Umgebung bereits eifrig an einem Stein zur letzten Ruhe für den designierten Neuankömmling gemeiselt:
Dabei will ich doch in der billigsten Holzschachtel verbrannt und in irgendeiner Wiese/einem Wald verscharrt werden.
Vielleicht war ich (auch deshalb) zu faul zum Sterben.
Was passiert ist ?
Fangen wir (Klimax-torpedierend) mit der (lebensrettenden) Vorgeschichte an: Wegen meiner latenten Vergesslichkeit, suche ich am Morgen in meiner Unterkunft vor dem Weggehen noch das Schild mit diesem Sinnspruch, um es zu fotografieren:
Kosten: Ca. 30 Sekunden Lebenszeit.
Als ich auf dem Gehweg an der Hauptstraße in Wörth gen Ortsrand gehe, macht die Straße vor mir eine langgezogene Linkskurve.
Ein Gebrüder-Weiß-Speditions-LKW fährt vor mir schwungvoll in diese Kurve, die Fliehkräfte lassen die rechten Stoßdämpfer leicht in die Knie gehen, der Laderaum neigt sich ob des Schwungs und plötzlich schwingt die rechte Ladetür auf (die der Fahrer bei der letzten Anfahrstelle wohl nicht verriegelt hat), fegt ein Mal über den Gehweg an dieser Stelle und schwingt umgehend zurück als der LKW wieder geradeaus fährt.
Eigentlich wäre ich zu diesem Zeitpunkt GENAU an DIESER Stelle gewesen.
Die kinetische Energie der ca. 1,2 Meter breiten Metalltür mit Stahlschließarmaturen unten und am mittleren Schließ-Rand bei 50 km/h und dem Schwung in der Kurve hätte mich entweder sofort beseitigt oder mit Wucht gegen Haus geschleudert, wenn der Rucksack evtl. für den unteren Teil hoch genug und etwas puffernd gewesen wäre.
Da hat wohl ein ganzes Heer an Schutzengeln heute Überstunden geschoben und mir mittels Vergesslichkeit zum kleinen Zeitverzug verholfen.
Fassungslos verfolge ich das Autofahrer, das DIREKT hinter dem LKW in aller Seelenruhe und mit nur wenigen Metern Abstand weiterfährt, wo weiter die Tür immer mal auf und zu schlägt.
Wer jemals ein Auto nach einem Rehunfall gesehen hat, weiß, was Geschosse von ein paar Kilogramm, mit Wucht entweder über Motorhaube auf Windschutzscheibe oder sogar bis in Innenraum geschleudert, anrichten können. Der LKW könnte ja auch Ladung verlieren, wo er doch gerade den Berg am Ortsausgang hochfährt und ob lebendes Reh oder Colli an bereits toten Lebensmitteln - das macht von der Schlagkraft eher mehr weniger Unterschied...
Immerhin hätte sich der Fahrer/die Fahrerin dann wohl für den Darwin-Award (Preisträger überwiegend Männer !) qualifiziert: "Dem Preis für alle, die dazu beitragen, daß sich unser Genpool verbessert, indem sie sich [selbst] [durch Dummheit und letztlich selbige] daraus entfernen."
Herr, schmeiß Hirn vom Himmel !
Puh, das war knapp. So schnell können aus Kosten Gewinne werden: Zeit zu Leben...
Eine Gehweile später das Rauriser Tal gen Süden entlang, werfe ich einen beruhigten Blick zurück (im Hintergrund ein Stück des Salzburger Schiefergebirges des Vortags):
Und weiter geht es Kilometer um Kilometer ins Tal hinein:
Kurz vor der Mautstelle, beim Alpengasthof Bodenhaus locken mich Himbeerschnitte und Buttermilch mit Preiselbeeren zu einer kleinen Zwischenmahlzeit:
Man sollte das Leben genießen, solange man es noch hat (hat mir dieses Jahr auch erst die Geschichte einer guten Freundin gelehrt, wo es auch mal sehr knapp war)...
Das Goldwaschen verfolge ich nur im Vorbeigehen aus der Ferne, nachdem ich heute schon genug Glück hatte:
Kurz nach der Mautstelle zweigt ein wunderschöner Weg von der Straße ab und es geht aufwärts durch den Wald:
Zwischendurch eröffnen sich ab und an Ausblicke, wie hier gen Hoher Sonnblick:
Am Lenzanger-Parkplatz wird die Fahrstraße noch ein letztes Mal gekreuzt und durch den "Rauriser Urwald" geht es schließlich auf eine Almhochfläche:
Im Bogen gen Westen lasse ich die meisten direkt links liegen und gehe flott weiter.
Alles andere als flott, dafür mega-gechillt läßt es dieser Zeitgenosse auf der Gainschniggalm angehen:
Einfach mal die Sonne auf den Bauch brennen lassen und sich dabei sauwohl fühlen, hat schon auch was.
Aber auch der lichte Lärchenwald im weiteren Aufstieg ist nicht von schlechten Eltern:
Der Blick über den Talschluß und in die hohen Berge vis-à-vis ist grandios, da heute das Wetter noch so gut ist:
Ich bin weiter unterwegs zum Schutzhaus Neubau von den Naturfreunden.
Vor zwei Tagen hatte ich elektronische Reservierungsanfrage gestellt, aber leider keine Antwort erhalten. Nachdem in Osttirol eine Wirtin mal reichlich unwirsch bis angepißt reagiert hat, als ich und letztlich Vater da penetrant zur Klärung nachtelefonierten, gehe ich diesmal von der dortigen Hypothese aus "abgesagt hätte ich schon".
Vor Ort dann das (vorerst) böse Erwachen:
Kley der Name ? Nein: Kai.
Die Hütte ist (laut Chefin) voll.
Für die Bearbeitung der Reservierungs-Anfragen hat sie keine Zeit. Wobei es ja nicht gerade so ist, als stünde in meiner Eingangs-Bestätigung nicht: "Danke für Ihre Reservierungsanfrage, wir werden diese bearbeiten und uns schnellst möglich persönlich bei Ihnen melden."
Ich könne ja wieder absteigen.
Oder mir etwas anderes überlegen.
MOMENT.
Kley ? Barbara Kley ? Heute ? Hier ?
Barbara ist doch seit ihrem Pausentag in Maria Alm wegen der unwirschen/unfreundlichen/unmöglichen/unverschämten/un* Wirtin auf dem Statzerhaus (wo sie dann am Tag später wegen der Unfreundlichkeit vor Ort trotzdem noch bis zur Rieser Alm ein paar Stunden weitergegangen ist) einen Tag hinter mir und heute mutmaßlich in Rauris.
Nun, falls diese Barbara nicht kommt, könne ich (gnädigerweise) deren Lager übernehmen, aber "diese Dame" brauche am nächsten Tag dann gar nicht zu erscheinen: Auch voll.
Mmmh, nicht daß Barbara doch eine Doppel-Etappe...
Ich eruiere alle möglichen Alternativen, während langsam die Sonne zur Neige geht: Der (aufgelassene) Steinschlagweg zum Niedersachsen hinüber scheint noch die beste (Not-)Option: Nur ca. 1,5 Stunden und mutmaßlich noch freie Matratzen - allerdings eher eine Sackgasse, was den nächsten Tag betrifft.
Nach 100 Minuten bekomme ich telefonisch Gewissheit (Danke für den Rückruf, Barbara !): Barbara ist (und bleibt) in Rauris, mein (nächstes) Problem ist gelöst, aber was ist mit Barbara am Folgetag ? Sie schaut extra in ihre Überweisungen und da ist bei der Reservierungsanzahlung der 05.08. (also der Folgetag) vermerkt.
Ich bohre später bei der Wirtin erneut nach. Nach einigen Anläufen schaut sie mal ins große Reservierungsbuch (nicht nur auf Tageszettel) und siehe da: Dort ist Barbara AUCH für den 05. August vorgemerkt. "Da hat diese Barbara wohl fälschlicherweise doppelt reserviert".
Nun, ich habe da ja so meine Zweifel. Nicht, daß ich in irgendeiner Form auch nur ansatzweise loyal wäre (ein mir sehr fremdes Konzept bedingungsloser subjektiver Unterstützung, da ich mich eher an objektiven Fakten orientiere), aber führen wir doch - nur zur Übung, nicht zur Strafe - mal einen kleinen Versuch in Form eines Widerspruchsbeweises durch:
Annahme/Hypothese: Barbara hat für den 04. und für den 05.08. gültig reserviert
Fakt: Barbara hat genau eine Anzahlungs-Überweisung für den 05.08. vorgenommen
Randbedingung: Reservierungen sind nur mit Anzahlungs-Überweisung gültig
Folge: Wenn es eine Reservierung für den 04.08. gegeben hätte, wäre diese ungültig gewesen, somit gelöscht worden und dürfte nicht mehr im Buch stehen, was sie allerdings tut.
Das steht aus meiner Sicht irgendwie im Widerspruch zueinander. Oder bin ich zu engstirnig ?
Etwas später kommt Conny ziemlich erschöpft von der langen Etappe aus Rauris mit dem Schlußanstieg zum Schutzhaus, die auch auf dem Weg nach Triest ist. Die Wirtin ist wohl wieder reichlich galant: "Steig wieder ins Tal ab", was Conny aber als unmöglich strikt von sich weißt und plötzlich ist doch noch ein Bett in einem Zimmer bei einer Familie frei (die sind zwar "not amused", aber vielleicht sollten sie mal lernen, wie das auf Schutzhütten so ist). - Von den drei Reserve-Matratzen, die ich im Trockenraum erspäht habe, mal ganz zu schweigen.
Also diese ganze Gegend zwischen Berchtesgaden und Alpenhauptkamm ist wirklich ein Gebiet zum Abgewöhnen (Wasseralm, Kärlinger Haus/Funtensee, Riemannhaus, Statzerhaus, Schutzhaus Neubau): Lug ("voll"), Trug (hier: Zimmer statt Lager berechnet, wie ich - leider erst im Nachhinein - feststelle), Nötigung ("diese Matratze gibt es nur mit Halbpension - Halbpension ist ohne Frühstück"), ... :-(
Conny ist kurz davor, aus Frust mit den Wirtsleuten ihre Tour abzubrechen: Aktuelles "Highlight", weil sie am nächsten Tag wegen angesagter Gewitter ganz früh los will: Übernachtung gibt es nur mit Frühstück. Also zahlen muß sie es schon. Sie braucht es aber nicht unbedingt zu nehmen. - Wie großzügig, daß die Wirtin jetzt nicht noch (virtuelle) Entsorgungskosten dafür in Rechnung stellt.
Der Wirt stellt dann immerhin in Aussicht, daß stattdessen ein Lunch-Paket am nächsten Morgen vor der Tür liegen könnte. - Konjunktiv ? Wo ? - Ich frage mich langsam wirklich, wo ich hier hin geraten bin.
Nur mal so zum Vergleich das Thermofrühstück auf der Edelrautehütte in der Steiermark: Tag 19/2017 für die lange Etappe am Folgetag - von der zusätzlichen Hilfe der Wirtin dort bzgl. der unsicheren Alm-Übernachtung am Folgetag, der Freundlichkeit und all den weiteren Rahmenbedingungen ganz zu schweigen.
Was ein Tag...
Gipfel/Übergänge:
- Schutzhaus Neubau (2.176m)
Begegnungen:
- Conny auf dem Weg Richtung Triest
Das Salzburgerland in Nord - Süd hat es in sich. Ich freue mich, dass du eine gute Erinnernung an die Stmk hast. War das nicht das neue Pächterpaar, die extra mit dem Auto gekommen sind? lg Volker
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